Namibia ist ein arides Land. Niederschläge gibt es meistens nur in der sogenannten Regenzeit von Dezember bis April – wenn überhaupt etwas anderes vom Himmel kommt als Sonne. In Bayern liegt der durchschnittliche Niederschlag pro Jahr bei etwa 910 Litern auf den Quadratmeter, in Namibia – abhängig vom Landesteil – zwischen 50 Litern im Süden und 550 Litern im Norden.
Und wenn genügend Regen auf einmal fällt und nicht tröpfchenweise auf viele Tage verteilt, dann erwacht die Natur und vollführt die tollsten Dinge. Auf der Farm Sandhof in der Landesmitte reicht ein guter Regen mit 35 bis 45 Millimeter, um eine ganze Kettenreaktion auszulösen: In einer sonst glatten und unbewachsenen Lehmpfanne mit einer Größe von rund 700 Hektar (das entspricht fast 1.000 Fußballfeldern) warten etwa 30 Zentimeter unter der Oberfläche Amaryllis-Zwiebeln darauf, dass die Erde über ihnen mit Wasser bedeckt wird. Dann treiben sie aus und bilden rund 60 Zentimeter lange Stängel mit zahlreichen Knospen. Vom Austrieb bis zur Blüte dauert es gerade mal eine Woche! Und schon steht da, wo vor kurzem nur verdorrter, rissiger Boden zu finden war, ein Blütenfeld im Wasser, und das bis zum Horizont!
Die herrlichen Blüten sind weiß oder zart-rosa und blühen maximal 10 Tage. In den Zwiebeln der Blumen haben der bis zu sechs Zentimeter große Elefantenrüssel-Käfer, seine Eier und Larven überlebt, und ihre Leibspeise sind die Pflanzen – mit Blüten, Blättern und Stängeln. Der Käfer kann nicht schwimmen, er wartet einfach, bis das Wasser weit genug versickert ist und dann geht das große Fressen los! In kürzester Zeit wird alles vertilgt, was von den Pflanzen über dem Boden zu finden ist.
Gleichzeitig werden durch das Wasser Unmengen von Larven des Urzeitkrebses Triops aus dem Boden gelockt, in dem sie die Dürre überlebt haben. Innerhalb weniger Tage wachsen die Tiere aus, sie werden maximal zwei Zentimeter groß. Da das Wasser nicht lange stehenbleibt, haben es die Triopse eilig, sich zu paaren und Eier abzulegen, die dann wieder in der Erde darauf warten, bis der nächste gute Regen fällt. Das Blumen-Phänomen auf der Farm Sandhof ist übrigens ein Zufall der Natur: der Mensch hat nichts dazu getan, dass die Pflanzen genau hier in dieser Menge wachsen und gedeihen. Auf der ganzen Welt ist nur ein zweiter Ort in der Demokratischen Republik Kongo bekannt, wo es auch diese Amaryllis-Art gibt, allerdings auf einer weitaus kleineren Fläche. Und kommt kein Regen, bleibt auch das Blütenwunder aus. Die längste bekannte Trockenphase zwischen zwei guten Regen liegt bei 13 Jahren!
Aber nicht nur auf der Farm Sandhof erwacht das Leben nach dem Regen: Überall im Land wachsen blitzschnell verschiedene Lilienarten mit unterschiedlichen Blüten.
Gras schießt in die Höhe und bildet so schnell wie möglich Samenstände, totgeglaubte Bäume treiben saftiges Laub, Blüten erscheinen zum Teil in Hülle und Fülle, und an den Termitenhügeln wachsen schmackhafte Pilze (die wir leider noch nicht selbst gefunden haben – aber wir geben die Hoffnung nicht auf).
Die meisten Webervögel warten auf frisches Gras, um daraus ihre kunstvollen Nester zu bauen.
Viele Huftiere bekommen zu Beginn der Regenzeit ihren Nachwuchs, da während der kurzen Zeit des Überflusses am ehesten gewährleistet ist, dass genügend Futter vorhanden ist, damit die Muttertiere ausreichend Milch bilden können.
In diesem Jahr hat der Zyklon Batsirai, der sich über dem indischen Ozean gebildet hat und auf Madagaskar auf Land getroffen ist, bei seinem Weiterzug von Ost nach West in Südafrika, Botswana und Namibia für ungewöhnlich hohe Regenfälle gesorgt. In der Kalahari, wo sonst in einem durchschnittlichen Jahr etwa 50 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter fallen, hatten wir in einer einzigen Nacht 165 Millimeter Regen. Das ist gleichermaßen Segen und Fluch für das Land, dessen Straßennetz zu etwa 90 Prozent aus Schotterstraßen besteht. Diese Pisten verwandeln sich nach solchen Regenfällen in matschige, von riesigen Pfützen übersäte Wege, zum Teil fallen einfach große Löcher in die Oberfläche oder die Straße verschwindet auch mal komplett.
Autofahren ist nach solchen Niederschlägen anstrengend und manchmal auch gefährlich, die Straßenverhältnisse sind schwer einzuschätzen. Trockenflüsse fangen an zu laufen und entwickeln zum Teil enorme Strömungen.
Da viele dieser Bäche und Flüsse Straßen kreuzen, kann es vorkommen, dass der Weg durch die Fluten abgeschnitten ist – dann gibt es nur noch zwei Optionen: Umdrehen und hoffen, dass auf der Strecke zurück nicht auch gerade ein Fluß über die Straße läuft, oder warten, bis der Spuk vorbei ist. Abgesehen von den Gefahren sieht das Auto nach kürzester Zeit aus wie ein Elefant, der gerade ein Schlammbad genommen hat!